Dienstag, Dezember 18, 2007

Paris se bat!

Immer wieder wird gestreikt. Besonders im Land der grossen Denker, der Ausrufung der Menschenrechte und der Französischen Revolution. In Paris finden zurzeit gerade zwei grosse Bewegungen statt. Wie aber weiss man, ob sich der Aufwand lohnt? Kosten-Nutzen-Kalküle auch in der Widerstandsbewegung?

Unterirdisch steht der Verkehr. Oberirdisch Chaos. Die Cheminots streiken wieder. Das sind die Metro- und Zugführer. Das Wort „Cheminot“ leitet sich von Cheminée ab. Früher, also vor meiner Zeit hier in Paris und sogar vor meiner Zeit auf der Erde, mussten die Zugführer die Lok noch mit Kohle einheizen. Ziemlich harter Job mit einer Lebenserwartung von vierzig Jahren wenn’s hoch kommt. Sarko will das Rentenalter erhöhen. Und das wollen die Cheminée-Fahrer nicht. Folge: Stehende Metros. Schwere Beine. Warten. Warten. Warten. Kilometer aufm Skateboard. Kalte Ohren.

Aber manchmal doch: Volle Metro. Duft von Metall auf Metall beim Bremsen. In der Metro Gesicht an Gesicht. Männerschweiss gemischt mit Mottenduft wie in Grossmutters Kleiderschrank. Zu starkes Parfüm. Italienische Dusche. Käse in der Einkaufstüte (und zwar kein Emmentaler sondern französischer Chèvre). Zurück an der Oberfläche wieder Herbstgeruch. Manchmal ein lieblicher Hauch des Duftes eines Frauenparfüms. Zigarettenrauch. Abfallwagen. Abgas.

Ich bin an der Uni angekommen. Auch hier Streik. Auch hier wegen fragwürdigen Reformen. Loi Pécresse: Gesetz zur Autonomie der Universitäten. Euphemismus für Privatisierung. Natürlich haben da die „nicht rentablen“ Studiengänge der philosophischen Fakultät grosse Ängste. Folglich wird auf Blockade gemacht. Blockade heisst hier in Paris wirklich Blockade: Eingänge zu, debattieren, Lösungen suchen, protestieren, rebellieren. Das läuft jetzt schon seit rund drei Wochen so.

Alle zwei Tage wird im Amphitheater am Assemblé Générale (AG) abgestimmt, ob und wie weitergemacht werden soll. Die Studenten sind euphorisch, besonders weil sie sich noch an den Erfolg des Widerstands gegen den CPE, das war der umstrittene Ersteinstellungsvertrag, von vor zwei Jahren erinnern können. Damals waren einige französische Universitäten vier Monate lang blockiert. An der AG hält Guillome eine Rede. Mit glänzenden Augen sagt er es dürfe jetzt nicht aufgegeben werden. Nanterre und Sorbonne 1 wurde schon mit Knüppel und gaz lacrymogène geräumt. Es ist einfach mal an eine Manif zu gehen, für ein paar Stunden in der Kälte zu stehn, sich zu zeigen und gesehen zu werden. Aber, ist dir das Verhindern des Inkrafttretens eines Gesetzes Wert ein Studiensemester aufs Spiel zu setzen? Wann weiss man, ob sich der Widerstand lohnt? Wann nicht? Diese Unsicherheit nimmt man auch in den Gesichtern meiner Mitstudenten wahr.

PS: Während ich den geknebelten Polizisten der neben mir auf einem Hocker im Uni-Keller hockt mit frisch gegrilltem Rattenfleisch füttere, höre ich Diam’s „Rien a foutre“. Als Hommage an den französischen Rap.

„Bon courage!“

In Frankreich sagt man nicht „Auf Wiedersehen“ oder „Tschüss“ sondern „bon courage“. Das mag ein kleines Detail sein. Je länger ich aber hier bin, desto besser verstehe ich die Bedeutung dieser zwei kurzen Worte. Der Franzose weiss wohl, dass das Leben oft nicht ein Sandkasten mit der kleinen, netten Nachbarin drin ist, wo zusammen Kuchen gebacken wird, der so komisch zwischen den Zähnen knirscht, sondern manchmal doch eher ein Marsch die Treppen des Eiffelturms hoch, die seltsamerweise nie enden.

Das fing schon mit den Einschreibungen für die Seminare und Vorlesungen an. Wer glaubt, dass mit der Bologna-Reform alles vereinfacht wurde mit Computer, online, kein Papierkram, simples Mausgeklicke und so irrt sich. Marsch die endlosen Gänge entlang die Treppe hoch, kurzes Gespräch mit der Sekretärin, abgeschoben werden zum nächsten Sekretariat, die Treppe wieder runter, zur nächsten Sekretärin, das ganze fünf mal vor- und rückwärts und schlussendlich noch immer von gar nichts eine Ahnung haben. Und das Schlimmste ist jede der höflichen Damen verabschiedet mich mit einem netten „bon courage“. Dasselbe, wenn ich mich mit Kommilitonen unterhalte und mich kurz für eine Pipi-Pause entschuldige die mir dann „bon courage“ wünschen.

Bei meinem ersten Toiletten-Besuch hab ich’s dann gemerkt. Das „bon courage“ in diesem Zusammenhang wollte wohl heissen „Ich wünsch dir viel Glück, dass es auch Toilettenpapier und -rand aufm Klo hat.“ Oder wenn sich mein Mitbewohner am Morgen mit „bon courage“ verabschiedet, ich dann locker nichts ahnend zur Metro laufe und die dann nicht fährt: „en raison d’un mouvement social!“, ich den Kurs verpasse, noch immer nicht rasiert bin und kein Französisch lerne, weil in meinem neuen Wohnviertel Arabisch die Hauptsprache ist.

PS: Übrigens das Lied aus der letzten Ausgabe bei meinem Tritt in die Hundekacke war „Human After All“. Das Lied dieser Ausgabe heisst „Le vend nous portera“ von Noir Désir. Ich hoffe der Wind wird mich das nächste Mal zur Uni tragen, wenn die RATP und die SNCF streiken. Ich bin ja schon gerne mit dem Skateboard unterwegs, aber nach einer Stunde sich durch die überfüllten, zu schmalen, mit Stangen umzäunten Trottoirs doch scheisse. Aber an dem Ganzen ist ja doch der Sarko Schuld. Mann tut das gut, die Schuld auf andere abzuschieben!

Zwischen Mickey Mouse und Hundekot

Hier will ich meine Kolumne in der ZS - Zürcher Studierendenzeitung nun doch auch noch online tun. Sogar mit etwas mehr Bildmatelial. Jeden Monat News aus der Kapitale.
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Bereitet man sich für seinen Auslandaufenthalt vor geht alles ziemlich schnell. Kaum mal für Erasmus angemeldet, geht’s an die Wohnungssuche. Klar, jeder der sich schon mal eine eigene Bleibe gesucht hat, weiss wie mühsam das ist. Umso deprimierender ist es, wenn man zuerst eine Zusage erhält und dann zwei Wochen bevor der TVG Ligne de Coeur in die Stadt der Liebe fährt eine Absage erhält. Ich bin ja eigentlich ein lieber Kerl, darum schreib ich dem Vermieterarsch nicht was ich in dem Augenblick eigentlich denke, sondern gar nichts, damit der sich so richtig einsam und alleine fühlt. Na gut, die Franzmänner sind Arschlöcher, denk ich.

Hab schlussendlich doch noch ein Dach über dem Kopf gefunden. Leider etwas ausserhalb. Ist aber nur vorübergehend so. Beim Wohnungsbeschrieb stand was von Banlieue. Dachte dann, ich könnte endlich mal meine vom 1. Mai übrig gebliebenen selbst gebastelten Sprengkörper verwenden, wenn der Staat mal wieder nicht so macht, wie wir Jungen wollen. Die Banlieue hier erinnert eher an Disneyland als an Ghetto
und von Aufruhr und Revolution ist schon gar nichts zu spüren.

Kaum zwei Tage in Paris muss ich mich schon wieder mit der Schweiz beschäftigen. Ihr wisst ja wie das ist mit den Seminararbeiten: Alles auf den letzten Drücker. Leider aber musste ich dann trotz meiner intensiven Vorbereitungen feststellen, dass die Franzmänner andere Steckdosen haben als wir Milchkuh-Schweizer. Kein Problem, denk ich, für etwas gibt’s ja so Use-in-every-country-in-the-world-your-electronic-stuff-Stecker. So ein Ding aufzutreiben klingt einfach, ist es aber nicht. Besonders an einem Sonntagabend. Musste schlussendlich aufgeben und am Montag dafür etwas rumbasteln, schneiden und in die Hände spucken. Wer profitiert eigentlich von all den verschiedenen Stromnetzsystemen? Jetzt ist wieder Ruhe eingekehrt bei uns in Villeparisis.

Aber egal, zum Schluss noch ein paar schöne Eindrücke aus Paris. Für die Romantiker unter uns, den Eiffelturm gibt’s noch und die Brücke, in der Amelie Poulain im Film Steine ins Wasser wirft, ist in Original viel schöner. Und in ner Kneipe bei der Gare de Lion gibt’s ganz lustige tenanciers de bar. Wenn ihr dort seid wisst ihr warum.

PS: Auch wenn Pariser Daft Punk in den Ohren dröhnen ist es nicht schön in einen Hundekot zu treten.
PPS: Bitte schickt mir so viele robidog-Säckchen wie möglich an folgende
Adresse, damit dem üblen Gestank unter dem Schuh endlich mal ein Ende bereitet wird: Mairie de Paris, Hôtel de Ville de Paris, Place de l’Hôtel de Ville, 75196
Paris.